Fluch und Segen des Chlors:
Das in der Trinkwasseraufbereitung am weitesten verbreitete Desinfektionsmittel ist Chlorgas.
Chlor ist eine sehr reaktive chemische Substanz, die von Natur aus nur in Verbindung mit anderen Elementen vorkommt.
Aufgrund der starken Giftwirkung führen Konzentrationen von drei Gramm reinem Chlor pro Kubikmeter Luft bereits nach wenigen Atemzügen zum Tod. Aus diesem Grund wurde das für Menschen und Säugetiere verheerende Gas im Ersten Weltkrieg als erste chemische Kampfwaffe eingesetzt.
Andererseits dient Chlor dank seinen keimtötenden Eigenschaften aber auch der menschlichen Gesundheit. So benötigt man die Substanz etwa als Desinfektionsmittel zur Trinkwasser-Aufbereitung sowie in Schwimmbädern.
Anwendung:
Bei dem heute meist üblichen indirekten Chlorgasverfahren wird zunächst eine Chlorlösung hergestellt, die dann dem zu behandelnden Wasser zudosiert wird.
Die moderne Dosier-, Meß- und Regeltechnik erlaubt es, Chlor so einzusetzen,daß der Grenzwert von 10 mg/l an Trihalogenmethanen (Haloformen) nicht überschritten, gleichzeitig aber eine sichere Desinfektion gewährleistet wird.
Wo sich der Einsatz von Chlor wegen der im Wasser vorliegenden Belastungsstoffe (z.B. Huminsäuren) nicht empfiehlt, bietet sich als Alternative Chlordioxid an, das aufgrund seiner Eigenschaften keine Haloforme bildet.
Bei der Lösung von Chlorgas im Wasser kommt es zu einer Hydrolyse und es bildet sich unterchlorige Säure und Salzsäure. Die entstandene Salzsäure wird durch die im Wasser enthaltenden Karbonate und Bicarbonate neutralisiert. Die unterchlorige Säure wiederum dissoziert in Abhängigkeit vom pH Wert.
Aktueller Stand:
Chlor ist das am häufigsten benutzte Desinfektionsmittel. Seit 1974 ist allerdings bekannt, dass die Chlorung von Wasser zur Bildung von flüchtigen chlororganischen Verbindungen führt.
Diese Nebenprodukte entstehen durch die Reaktion von freiem Chlor mit organischem Material. Die meisten der bekannten Nebenprodukte sind sogenannte Trihalomethane (THM) einschließlich Chloroform, das bei Tieren eindeutig Krebs verursacht, und Chloramine, die im Verdacht stehen Allergien auszulösen und für den Chlorgeruch, bzw. Apotheken- oder Schwimmbadgeruch von gechlortem Wasser verantwortlich sind.
Zahlreiche Studien über Trihalomethane legen einen Zusammenhang zwischen Trink- und Badewasserchlorung und erhöhtem Risiko für Blasen-, Dickdarm-, Mastdarm-, und Lungenkrebs beim Menschen nahe. Deshalb wurde von der Europäischen Gemeinschaft schon 1980 eine Trinkwasser-Richtlinie verabschiedet, in der für leichtflüchtige Organohalogene ein Höchstwert von 1 Mikrogramm pro Liter festgelegt wurde.
In der Bundesrepublik Deutschland wird zur Zeit die Hälfte des gesamten Trinkwassers gechlort, obwohl es zahlreiche alternative Desinfektionstechnologien gibt.
Aufgrund der oben genannten potentiellen Risiken ist damit zu rechnen, dass der Marktanteil der Desinfektion mit Chlorgas in den nächsten fünf bis zehn Jahren auf rund 50 % zurückgehen und durch andere Desinfektionsmethoden ersetzt wird.